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Das Konzept


Natur ist Dynamis, Leben und Tod, innen und außen. Die Trennschicht dazwischen sind Hüllen. An dieser Trennschicht, die sich in ganz unterschiedlichen Formen von Faltungen praktisch überall findet, heute sehr häufig in Gestalt von Folien, Planen, Abdeckungen und Plastikverpackungen sucht Monika Seibel in ihren Arbeiten die Übergänge von Tod und Leben, Natur und Kultur auf und macht sie sichtbar. An den Trennschichten tut sich was. Die Chemie spricht von Osmose oder Katalyse. Für die Ästhetik gilt aber genau das gleiche. Faltungen wirken als Raumbildner, als Mikroklimate und als barockes Kleid der Scham. Auch hier tut sich gerade an den Trennschichten, an den Hüllen etwas, und vielleicht heute überhaupt nur da. Hier wird etwas aufgehoben und lässt sich sichtbar machen.


Unterworfene Natur, Wunschbild des 19. Jahrhunderts... Ideologie des 20., offenbar Trauma des 21. Jahrhunderts.

Der idealistische Universalphilosoph Hegel hat zu seiner Zeit - fortschrittsgläubiger als wir das heute sind – in einem mehrfachen Sinn von Aufhebung gesprochen, wenn sich etwas angeblich zielsicher weiterentwickelt. Etwas wird vom Boden aufgehoben, vorgefunden, der Natur entnommen. Es wird etwas aufgehoben in dem Sinn, dass es seine Gültigkeit verliert, so wie man sagt, ein Verbot wird aufgehoben. Es wird etwas aufgehoben in dem Sinn, in dem wir sagen, wir wollen uns erinnern, es behalten und nicht wegwerfen. Und schließlich wird für Hegel etwas aufgehoben in dem Sinn, in dem es heißt, wir heben etwas auf eine höhere, besser entwickelte Stufe.


Man wird Hegel heute in seinem manischen Fortschrittsglauben nicht mehr so ohne weiteres folgen wollen. Klima- und Umweltbelastung und unser Wissen um die Begrenztheit natürlicher Ressourcen lassen das nicht mehr zu. Was bei ökonomischen oder politischen Prozessen am Ende rauskommt, ist nicht notwendigerweise als Fortschritt zu bewerten. Kreative ästhetische Prozesse sind allerdings auch kein Königsweg zur kulturellen Weiterentwicklung.

Bei Hegel hat der Dreischritt von Aneignung, Negation konventioneller Geltung und erinnernder Neuschöpfung noch eine garantierte Reihenfolge und nur ein einziges Ziel.


Beides stimmt heute nicht mehr. Fortschrittsglaube ist obsolet. Erinnern ist fast nicht mehr möglich, gerade weil nichts mehr vergessen wird und mithin alles beliebig nebeneinandersteht und wahllos entsorgt werden kann. Natur in Reinform ist unauffindbar. Das wäre gegenüber Hegels Vorschlag genau die umgedrehte Reihenfolge. Oder aber eine weitere Drehung: Natur ist egal, Fortschritt ein Faktum – wie immer noch viele meinen - , aber keiner weiß mehr, worum es eigentlich geht, man hat es vergessen. Hier ist Vergessen das Ergebnis, also das bei Hegel mittelständische Thema.


Es ist nicht mehr sicher, worum es geht. Es gibt nichts in diesem Prozess, das sich als Beginn aufzwingt, Natur nicht, Kultur nicht, ewige Wert nicht, persönliche Präferenzen auch kaum. Mit was eigentlich?


An Hegels Dreischritt ist aber soviel richtig: ästhetische Prozesse, die inhaltlich sein wollen und kein L’art pour l’art, haben die Chance, sich buchstäblich auf die Trennschichten einzulassen.


Vielleicht steht Monika Seibel damit auf verlorenem Posten. Die Banalität des Massenkonsums – auch in der Kunst – ist schon länger dabei, diesen Posten zu planieren. Aber vielleicht hat das Hinschauen aus Liebe am Fragilen auch aktuell ein Moment von Weisheit. Genau das ist das ästhetische Risiko von Monika Seibels Arbeiten.


Dem wäre sich auszusetzen.